Kommt der Antisemitismus von „links“?

Der aus der antideutschen Szene stammende Sozialwissenschaftler Thomas Haury hat kürzlich eine Broschüre mit dem Titel Antisemitismus von links. Facetten der Judenfeindschaft (Verlag Aktion Courage e.V., Berlin) veröffentlicht. Der Text richtet sich vor allem an Lehrer, die ihren Schülern vermitteln sollen, dass heute vor allem „Linke“ für den Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft verantwortlich sind. Die Broschüre Haurys ist vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) finanziell gefördert worden und wird über das Internet an allen Schulen in Deutschland digital beworben, um ihn im politischen Unterricht zu verwenden. 

Ganz exakt definiert Haury nicht, wen er mit „links“ eigentlich meint, aber aus dem Text erschließt es sich, wer hier unter sein diffamierendes Urteil fällt: Alle Kritiker der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern – also alle Aktivisten, die sich für eine Einhaltung von Völkerrecht und Menschenrechten im Palästina-Konflikt einsetzen. Aber auch alle Kritiker des Kapitalismus bzw. Neoliberalismus oder des internationalen Finanzsystems fallen darunter, denn in einer solchen Kritik könnte ja auch eine versteckte antisemitische Attacke auf Juden stecken. Was ja heißt: Jede kritische Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzsystem wird zum Tabu erklärt. Haury bringt sogar SPD-Politiker wie Franz Müntefering und Gewerkschafter von verdi und der IG-Metall in Antisemitismusverdacht, weil sie es wagten, die Arbeitsplätze zerstörende Profitgier der Hedgefonds als „Heuschrecken“ zu bezeichnen.

Haury macht es sich leicht, zu seinem inquisitorischen Urteil zu kommen, denn er leugnet einfach die Unmenschlichkeit der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern. Die Verbrechen der Zionisten an diesem Volk kennt er nicht oder will sie nicht wahrhaben. Juden – so vermittelt er – können keine Täter sein, denn das würde ja heißen, die Täter-Opfer-Rolle umzukehren. Er kommt mit einem Trick zu einem solchen Urteil: Er unterscheidet nicht zwischen Judentum, Zionismus und Israel oder umgekehrt zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an der israelischen Politik. Das Ergebnis ist ein diffamierender Antisemitismus-Begriff, der an Rufmord grenzt und – wie leicht zu durchschauen ist – vor allem die Absicht verfolgt, Israels Politik vor jeder Kritik zu schützen.

Einer solchen verfälschenden Darstellung des Antisemitismus-Problems und des Palästina-Konflikts muss man entschieden entgegentreten, auch wenn Haurys Darstellung zur Zeit der Mainstream in Deutschland ist. Und Schülern sollte man ein realistisches Bild des Staates Israel, seiner Geschichte und seiner heutigen Politik vermitteln, sie also nicht mit einer einseitigen Darstellung ganz im Sinne der zionistischen Ideologie konfrontieren. 

Ich habe deshalb eine kritische Antwort auf Haurys Text geschrieben, die dessen Thesen widerlegt. Ich kann dabei auch auf Argumente vieler israelischer Autoren und Wissenschaftler zurückgreifen. Der Bremer Juraprofessor Johannes Feest hat ein Nachwort zu meinem Text geschrieben, in dem er vor allem die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit verteidigt, die durch Haurys Antisemitismus-Definition in höchstem Maße gefährdet ist. Das Buch ist unter dem Titel Antisemitismus und Nahost-Konflikt. Einseitige „Aufklärung“ an deutschen Schulen im Gabriele Schäfer Verlag Herne erschienen, ISBN 9783944487731, 9,90 Euro. Das Cover der Broschüre hat Erhard Arendt vom Palästina-Portal gestaltet.

Details

ISBN: 9783944487731
Verlag: Gabriele Schäfer Verlag Herne, www.gabrieleschaeferverlag.de
Preis: 9,90 €