Nach den Antisemitismus-Vorwürfen gegen die indonesischen Macher der Kunstschau Documenta hat nun auch Bremen seine kulturelle Antisemitismus-Affäre. Im BLG-Schuppen – einem alten Hafen-Lagerhaus, das jetzt der Kultur dient – wird zur Zeit die Ausstellung „The Mystery of Banksy– A Genius Mind“ (Das Mysterium Banksy– ein genialer Geist) gezeigt. In dieser Ausstellung taucht im Zusammenhang mit Israel ein Wort auf, das in Deutschland nicht sein darf, ja ein absolutes Tabu ist: Apartheid. Denn der britische Street-Art-Künstler Banksy hat 2007 in Bethlehem direkt an der Mauer, die die Israelis zur Trennung von den Palästinensern errichtet haben, ein „Walled-Off-Hotel“ eröffnet. In der Ausstellung sind eine Nachbildung des Hotels und Teile der Mauer zu sehen. Auf einer Tafel ist zu lesen: „In den 17 Jahren, seit Israel mit dem Bau der Apartheidmauer begonnen hat, haben lokale und internationale Künstler/innen sie als leere Leinwand genutzt, auf der sie ihre politischen Statements malen.“
Besucher der Ausstellung waren empört über diesen Satz: Wie kann man Israel in Zusammenhang mit Apartheid bringen! Sie beklagten sich sogar bei Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) über diese Ungeheuerlichkeit, Israel so etwas zu unterstellen. Vor allem Politiker der Grünen stimmten sofort in den Protest-Chor ein. Die kulturpolitische Sprecherin der Partei in Bremen erklärte: „Israel direkt oder indirekt als Apartheidstaat zu bezeichnen, ist nicht nur historisch ein unangemessener Vergleich, sondern es ist eben auch ein antisemitisches Narrativ, dass Ressentiments gegenüber Jüdinnen und Juden schürt.“
Aus der Bremer Kulturbehörde, die auch zu der Sache befragt wurde, hieß es, die Ausstellung finde in einer privaten Ausstellungshalle statt und die Veranstalter seien Privatleute. Insofern habe die Stadt damit nichts zu tun. Man bezog aber doch indirekt Stellung: Die Behörde bat aber in diesem Zusammenhang um Zurückhaltung. Bei derartigen politischen Aussagen, die differenziert und kritisch zu betrachten seien, sollte man genauer über die Formulierungen nachdenken, die man der Öffentlichkeit präsentiere. Was ja indirekt heißt: Bloß keine Kritik an Israel!
Die Ausstellungsmacher gaben der Kritik und dem Druck sofort nach und haben die inkriminierten Tafeln in Bremen und anderen Städten, in denen die Show auch gezeigt werden, sofort entfernt. Neue Tafeln seien in Arbeit, sie würden in Kürze die alten Tafeln ersetzen, hieß es. Entschuldigend fügten sie hinzu: Es sei nicht beabsichtigt gewesen, mit den Erläuterungen politisch Stellung zu beziehen. Sie sollten lediglich „der Einordnung des Künstlers als Verfechter der Freiheit und als Gegner der Gewalt dienen.“
Mit dieser wachsweichen Rechtfertigung nehmen die Ausstellungmacher eine ganz wesentliche Aussage ihrer Show zurück, ja sie bringen damit den Künstler, der sein Hotel direkt an der Mauer in Bethlehem natürlich politisch verstanden wissen will, um die Wirkung, die er erzielen will. Seine hoch politische künstlerische Aussage wird schlicht verfälscht. Denn Banksy gestaltete die Inneneinrichtung des Hotels mit zahlreichen Bezügen auf den Nahostkonflikt und den Alltag der Sperranlage. Die Mauer trage zur „schlechtesten Aussicht der Welt“ bei. Mit diesem Slogan wirbt das Hotel. Es richtet sich auch an Touristen aus Israel
Zivilcourage sieht anders aus. Die Macher der Ausstellung hätten die Tafel unbedingt stehen lassen und als Anstoß für eine breite Diskussion über die Frage verstehen müssen: Ist Israel ein Apartheidstaat oder nicht? Kunst darf nicht nur provokativ sein, sie muss es oft sogar. Der Psychoanalytiker Erich Fromm hat einmal geschrieben: So gut wie jeder Fortschritt kommt aus Akten des Ungehorsams, und Ungehorsam ist die Voraussetzung der Freiheit.
Die Stadt Bremen rühmt sich stets für ihre Toleranz und Weltoffenheit. Aber wenn es um Israel geht, geht man dort sehr schnell jeder kritischen Diskussion aus dem Weg. Die Vorgänge um die Banksy-Ausstellung sind ein Trauerspiel für die politische Kultur der Stadt.
6.05.2022