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Sind wir alle Antisemiten und Islamophobe?

Das Buch von Sabine Schiffer und Constantin Wagner zu diesem Thema lässt viele Fragen offen

November 24, 2021

Wenn man sich heute über Fragen wie Judentum, Holocaust, Antisemitismus und Israel authentisch informieren will, sollte man zu Arbeiten kritischer jüdischer bzw. israelischer oder amerikanischer Autoren greifen, da die deutschen Analysen so von der Holocaust-Schuld bestimmt sind, dass ihre Aussagekraft nur beschränkt ist. Wenn das Ergebnis dieser Forschung ist, dass jede Aussage über Juden, die man als kritische Auseinandersetzung deuten könnte (es muss ja gar nicht um Antisemitismus gehen), eine Projektion ist, also mit Juden gar nichts zu tun hat, sondern eine Fiktion Außenstehender ist, dann kann man eigentlich zum Thema nicht mehr viel sagen. Wenn man dann noch hinzufügt, dass auch gut gemeinte antirassistische Diskurse versteckte unbewusst vorhandene rassistische Denkmuster enthalten, dann sind wir also offenbar alle „Antisemiten“ oder „Islamophobe“, ob wir wollen oder nicht.

Von diesen Voraussetzungen ist das Buch von Sabine Schiffer und Constantin Wagner Antisemitismus und Islamophobie. Ein Vergleich weitgehend bestimmt. Man fragt sich bei der Lektüre immer wieder: Wo verläuft denn die Grenze zwischen der Projektion und der Realität? Die Autoren arbeiten diese Grenze nicht klar genug heraus. Ein im politischen Diskurs oft genanntes Beispiel: Die Anhänger Israels betrachten es schon als Antisemitismus, wenn man behauptet, dass es reiche Juden in den USA gibt, die Israel mit vielen Dollars unterstützen. Diese Leute sind aber namentlich bekannt, sie bekennen sich auch zur Unterstützung Israels und jüdische Autoren haben ausführlich über sie geschrieben. Ist die jüdische Lobby in den USA nun eine Projektion (ihre Benennung also Antisemitismus) oder eine nicht zu leugnende Realität? Man könnte viele weitere Beispiele für diese Fragestellung nennen.

Wenn man diesen Gedanken konsequent zu Ende denkt, ergibt sich eine absurde Gleichung: Für jedwede Äußerung über Juden und über den Staat Israel können niemals konkrete Handlungen und Fakten relevant sein, sondern es handelt sich immer nur um Ressentiments gegen Juden. Die Fakten (und die Kritik an ihnen) – also etwa an Israels Besatzungspolitik und der Unterdrückung der Palästinenser – sind so gesehen stets eine Projektion. Auf diese Weise kann man Fakten völlig ausschalten oder sogar sagen, dass es sie gar nicht gibt. Mit dieser Methode arbeitet der jüdische Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn.

Schiffer und Wagner kritisieren ein solches Vorgehen und bedienen sich seiner zugleich. Es ist ja so etwas wie ein Dogma der gegenwärtigen Antisemitismusforschung. Auf diese Weise begeben sich die beiden Autoren einer wirklichen – auch kritischen – Auseinandersetzung mit der jüdischen bzw. islamischen Realität in Deutschland. Es ist ja eine Wunschvorstellung, dass es eigentlich keinerlei Integrationsprobleme wegen „kultureller Andersartigkeit“ oder „Fremdheit“ mit jüdischen oder moslemischen Zuwanderern geben sollte, sondern nur ein gemeinsames „Wir“. Die Autoren neigen aber dazu, überall nur Stereotypen, Verschwörungen und Projektionen zu sehen, wo es um Vorbehalte gegen die „Fremden“ geht. Dass Menschen auch Ängste vor dem „Fremden“ entwickeln können, sich vielleicht sogar von ihnen überfordert fühlen können, gestehen sie ihnen nicht zu.

Das Feststellen von Andersartigkeit oder Fremdheit ist ja nicht immer mit Antisemitismus oder Islamophobie gleichzusetzen. Viele jüdische bzw. israelische Autoren haben mit dem Aufzeigen jüdischer Eigen- oder Besonderheiten gar kein Problem. Sie betonen immer wieder, dass es neben dem jüdischen Universalismus auch den jüdischen Partikularismus gibt, also das Vertreten von jüdischen Stammes- und Sonderinteressen, etwa die uralte Tendenz, sich abzusondern und zu isolieren, oder dem Glauben anzuhängen, dass die Juden das von Gott auserwählte Volk sind, was sie stolz und zuversichtlich mache, ja, sie halten sich „für vornehmer, höher stehend, den anderen überlegen“.

So hat es der Jude Sigmund Freud formuliert und nennt Moses als Urheber dieser Einstellungen und Eigenschaften, die dieser den Juden „für alle Zukunft“ mitgegeben habe. Wie stark solche Prägungen auch heute noch für jüdisches Leben sind, kann man bei jüdischen bzw. israelischen Autoren wie Erich Fromm, Eva Illouz, Shlomo Sand und vielen anderen nachlesen. Man muss doch etwa die Frage stellen dürfen, ob die israelische Verweigerung des Völkerrechts im Umgang mit den Palästinensern und die Entscheidung, sich durch eine „Trennmauer“ von diesem Volk zu separieren, etwas mit jüdischen Absonderungs- und Isolationstendenz zu tun hat. Auch die Tatsache, dass es in Israel einen ausgeprägten Rassismus gegenüber den Palästinensern gibt, muss in die Betrachtung unbedingt mit einbezogen werden.

Für die beiden Autoren Schiffer und Wagner grenzen solche Aussagen offenbar schon an Antisemitismus, denn die Juden als homogene Gruppe gibt es nach ihrer Auffassung gar nicht, weil dieses Volk sich sehr differenziert präsentiert. Was ja auch richtig ist, aber es muss ja ein paar Grundgedanken geben, die typisch „jüdisch“ sind und diese Menschen über die Jahrtausende als große Gemeinschaft zusammengehalten haben. Da gleich von Antisemitismus zu sprechen, wenn man solche gruppentypischen, gemeinsamen Einstellungen und Eigenschaften aufzählt, ist absurd. Umfragen in Israel aus der letzten Zeit haben z.B. immer wieder belegt, wie bedeutend der Gedanke der Auserwähltheit bei Juden – auch säkularen – noch ist.

Aus der Hervorhebung von Besonderheiten einer Ethnie muss ja nicht gleich ein Feindbild entstehen, das als Bedrohung empfunden und bekämpft werden muss. Das Fremde zu akzeptieren und mit ihm zu leben, macht demokratische Reife aus. Es zu leugnen, ist dagegen viel gefährlicher. (Wir erleben das gerade in Deutschland, dass Muslime – etwa Palästinenser – ihr Narrativ nicht öffentlich darstellen können, weil nur das jüdisch-israelische erlaubt ist, das palästinensische gilt als antisemitisch).

Hier liegt das Defizit des Buches von Schiffer und Wagner. Die Autoren gehen ihr Thema zu einseitig an, indem sie so gut wie alle Probleme den vermeintlichen fremdenfeindlichen Deutschen und den in ihrer Sicht voreingenommenen Medien zuschieben, die „andere“ Seite aber so gut wie kritiklos davonkommen lassen. Beispiel: Die Autoren gehen ausführlich im Zusammenhang mit dem deutsch-jüdischen Verhältnis auf den Konflikt Israels mit den Palästinensern ein, nennen aber nicht oder nur am Rande den Hauptverantwortlichen für die schon über 100 Jahre andauernde gewaltsame Auseinandersetzung: den Zionismus und sein siedlerkolonialistisches Vorgehen.

Die analysieren sehr gründlich den gegenwärtigen Antisemitismus und zeigen auch sehr gut die Ähnlichkeiten zwischen Antisemitismus und Islamophobie auf, vermeiden aber tunlichst einen der Hauptgründe für den Antisemitismus in der heutigen Welt zu nennen: die menschenrechtswidrige israelische Besatzungspolitik und brutale Unterdrückung der Palästinenser. Ebenso verschweigen sie, dass Israel den Antisemitismusvorwurf auch noch instrumentalisiert, um seine Gewaltpolitik vor Kritik zu schützen. Hier hätte man sich eine viel klarere und deutlichere Sprache gewünscht.

Sabiner Schiffer / Constantin Wagner: Antisemitismus und Islamophobie. Ein Vergleich, 2, erweitere und überarbeitete Auflage, Frankfurt/ ISBN 978-3-86489-353-7, Main 39 Euro

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