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Die braunen Flecken an einem bekannten deutschen Verlagshaus

Was in Wolf Schneiders Buch über den Gruner+Jahr Konzern nicht steht / Ein unrühmliches Kapitel der deutschen Pressegeschichte

Juni 2, 2021

Dieser Tage geriet mir das im Jahr 2000 erschienene Buch Die Gruner+Jahr Story. Ein Stück deutsche Pressegeschichte in die Hände. Ich wurde neugierig und fing an darin zu lesen, denn meine Familie verband in der Vergangenheit mit der Person des Verlegers John Jahr einiges. Der Verfasser des Buches ist Wolf Schneider, ein alter Kämpe im deutschen Journalismus. Er hat für die Süddeutsche Zeitung in Washington gearbeitet, dann wechselte er zum Springer-Konzern, um dort einen Anti-Spiegel zu entwickeln. Er wurde Chefredakteur der Welt und kämpfte bei Springer unter anderem auch gegen Günter Wallraffs Buch Der Aufmacher, in dem dieser Autor die Praktiken und Arbeitsweisen der Bild-Zeitung schildert. Schneider wurde dann Leiter der neu gegründeten Journalisten-Schule in Hamburg, die später nach dem Stern-Chefredakteur Henri Nannen benannt wurde. Er war einer der Moderatoren der NDR Talk Show, betätigte sich als Sprach-Kritiker und Sprach-Lehrer und schrieb zu diesem Thema mehrere Bücher. Außerdem verfasste er mehrere Werke über Journalismus.

Also eigentlich ein Mann, der es wissen müsste. Aber in seinem Buch über Gruner+Jahr unterläuft ihm ein schlimmer Lapsus. Anders gesagt: Er hat schlecht recherchiert. Oder wollte er die Wahrheit gar nicht wissen bzw. hat sie ganz bewusst verschwiegen? Denn wenn man die Geschichte des Gruner+Jahr-Imperiums beschreibt, muss man ja eigentlich von vorn anfangen, das heißt, auch die NS-Zeit mit einbeziehen. Das tut Schneider aber nur mit einem Absatz von ganzen 11 Zeilen in dem Kapitel über John Jahr sen., das den Titel Der barsche Patriarch trägt.

Da heißt es: „Er war tüchtig sein Leben lang, dieser John Jahr, der anno 1900 in Hamburg als Sohn eines Feuerwehrmannes zur Welt kam. Realschüler, kaufmännischer Lehrling, Sportjournalist, das waren seine ersten Stationen. Mit 24 gründetet er eine Sportzeitschrift, mit 26 wurde er Teilhaber eines Adressenverlages, mit 28 Generalvertreter für die Anzeigen zweier Zeitschriften, Arbeiter-Illustrierte und Weg der Frau. Da beide in einem kommunistischen Verlag erschienen, wurden sie 1933 sofort verboten. Jahr gründete eine Reise- und Versandbuchhandlung, in der er auch Bücher von Ritterkreuzträgern verlegte; 1937 hatte er die Zeitschrift Die junge Dame gekauft.“

Durch seine Verbindung zur Arbeiter-Illustrierten und zu dem Magazin Weg der Frau wird Jahr hier noch in Verbindung mit den Kommunisten gebracht. Das klingt fast nach Widerstand. Die „Ritterkreuzträger“ als Autoren des Verlages mag es gegeben haben. Aber die ganze verlegerische Wirklichkeit des John Jahr für die Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 sah doch etwas anders aus, als Schneider sie hier schildert.

John Jahr hat in Berlin irgendwann in den 30er Jahren (den genauen Zeitpunkt konnte ich nicht in Erfahrung bringen) den Verlag Die Heimbücherei gegründet. Und nach Kriegsbeginn 1939 begann die Verbindung meiner Familie, genau gesagt meines Vaters Curt Strohmeyer mit John Jahr. Denn mein Vater veröffentlichte in diesem Verlag 1940 sein Buch Stukas! – Erlebnis eines Fliegerkorps. Mitautor war der General der Flieger, Wolfram (gen. Ulf) Karl Ludwig Moritz Hermann Freiherr von Richthofen (1895-1945). Als Stabschef der Legion Condor war er 1936 hauptverantwortlich für die kriegsvölkerrechtswidrige Zerstörung der spanischen Stadt Guernica. Im Mai 1941 befehligte er die Verbände der Luftschlacht um Kreta. Als Kommandeur der Luftflotte 4 nahm er auch an der Schlacht um Stalingrad teil.

Mein Vater schildert in seinem Buch die „heldenhaften Einsätze“ der „herrlichen Stukas-Vögel“ in Polen, Frankreich und England, bei denen er selbst als Kriegsberichterstatter mitgeflogen ist. Er lässt sich aber auch von den Piloten über ihre Einsätze berichten. Ein paar Leseproben über die Angriffe in Polen: „Hier [bei Piotrkow) wurde glänzende Arbeit geleistet. Ein wildes Durcheinander von Schienen, Häusern und Eisenbahnen auf dem tags zuvor angegriffenen Bahnhof. Der Feind ist hier bewegungslos gemacht.“ Und: „Auf der Straße hat alles den Kopf verloren. Jeder Halt, jede Ordnung ist dahin. Menschen und Pferde rasen in der Gegend wie besessen umher. Und dieses Durcheinander greifen wir nun mit unseren MG’s an. Wie Schatten huschen wir über die Baumwipfel. Nichts entgeht unseren Augen, nichts bleibt von unseren MG’s verschont. Alles ist versprengt – kampfunfähig.“

Und: „Und während wir zum zweiten, zum dritten Einsatz gegen diesen Feind fliegen, der bis zur Kampfunfähigkeit niedergezwungen wird, stürzen Stukagruppen in diese sich auflösenden Divisionen hinein und verbreiten mit ihren Bomben Hölle, Tod und Verderben. Noch ehe der Gegner sich abermals sammeln kann, ist er geschlagen, zerstückelt, unfähig sich zu wehren. Ein Schlachtfeld bleibt zurück. Sieger sind wir! Die Schlachtflieger!“ Vater kommentiert das Gemetzel: „Welch stolzes, prächtiges Geschlecht, du ewiges Deutschland, erwächst dir in deinen Fliegern!“

Und der Fliegergeneral von Richthofen schrieb im Vorwort: „In dieser Zeit ungeheuren Geschehens überlagern sich die Eindrücke schnell. Was gestern Ereignis war, ist morgen schon Gewohnheit. Eins aber bleibt gleich, der Geist, in welchem wir gekämpft haben, in welchem wir kämpfen und in welchem wir kämpfen und siegen werden für Führer, Volk und Vaterland.“

Dieses kriegverherrlichende NS-Machwerk, das John Jahr verlegt hat, wurde ein Bestseller, weshalb er meinem Vater als Anerkennung eine in Leder gebundene Ausgabe mit Kassiber schenkte und sich in einer persönlichen Widmung herzlich bei meinem Vater für die geleistete Arbeit bedankte. Ich kann es mit Zahlen natürlich nicht belegen, aber dieses schlimme Buch hat mit seiner hohen Auflage sicher zum Aufstieg des späteren Verlegers John Jahr in der jungen Bundesrepublik beigetragen. Es ist heute noch ein Renner in der rechtsradikalen und Neonazi-Szene. Ein Blick ins Internet genügt.

Es war nicht das einzige NS- oder Kriegsmachwerk, das die Heimbücherei von John Jahr verlegt hat. Da finden sich aus dieser Zeit Autoren und Titel wie: Karl Georg von Stackelberg: Legion Condor. Deutsche Freiwillige in Spanien, mit einem Bild und einem Motto von Reichsmarschall Hermann Göring; Herbert Reinecker, Karl Georg von Stackelberg und Wilhelm Utermann: Panzer nach vorn! Panzermänner erzählen vom Feldzug in Polen; Hartmann, Werner: Feind im Fadenkreuz. U-Boot auf Jagd im Atlantik; Lützkendorf, Felix: Söhne des Krieges. Berichte von drei Fronten; Moller, Eberhard Wolfgang: Die Maske des Krieges; Gloth: Harald: Das Gesicht unter dem Helm; Esebeck, Hanns Gert Freiherr von: Helden der Wüste, Geleitwort Generalfeldmarschall Erwin Rommel. Vermutlich sind diese Autoren, die Hitlers Krieg verherrlichten, die „Ritterkreuzträger“, von denen Wolf Schneider in seinem Buch spricht.

Die Liste der hier angeführten Autoren und Titel lässt sich beliebig verlängern. Mit den elf Zeilen Wolf Schneiders über John Jahr ist es also nicht getan. Sollte wieder einmal ein Journalist oder Historiker die Geschichte des Gruner+Jahr-Konzerns schreiben, sollte er doch ein wenig sorgfältiger und ehrlicher vorgehen als Wolf Schneider.

2.06.2021

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