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Plädoyer für die Ungleichheit der Menschen

Der israelische Soziologe Natan Sznaider verlangt von der deutschen kulturellen Elite Loyalität zu Israels Politik

Juli 25, 2022

Was ist die angemessene deutsche Reaktion auf den Holocaust? Diese Frage bewegt fast 80 Jahre nach dem Massenmord noch die Gemüter hierzulande und führt zu tiefen Gegensätzen in der Gesellschaft – vor allem auch im Verhältnis zu Israel. Der deutsch-jüdische-Publizist Alfred Grosser hat darauf die einzig richtige Antwort gegeben: Man dürfe Auschwitz nur gedenken, wenn man gleichzeitig für die Gleichheit der Menschen überall auf der Welt eintrete. Das ist eine klare moralisch-universalistische Forderung, die den besten humanen Traditionen der Aufklärung entspricht. Liberté, Égalité, Fraternité – die bürgerliche französische Revolution hat in dieser Hinsicht nie ihre Aktualität verloren.

Aber genau mit dieser Forderung hat das zionistische Israel seine Probleme, denn das hieße ja auch: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für die Palästinenser. Das geht aus zionistischer Sicht aber unter gar keinen Umständen, weil es Änderungen an der Staatsform zur Folge hätte. Deshalb erteilt die israelische Politik jedem Universalismus eine klare Absage. Aber nicht nur das, zionistische Intellektuelle stellen eine solche Forderung auch an die deutsche Kulturelite. So etwa jetzt der deutsch-israelische Soziologe Natan Sznaider in einem Interview mit dem SPIEGEL.

Sznaider erhebt da schwere Vorwürfe gegen die deutschen Intellektuellen. Er wirft ihnen vor, einem „postkolonialistischen Antisemitismus“ anzuhängen. Sie erklärten Israel zu einem siedlerkolonialistischen Projekt und westlichem Vorposten im Nahen Osten. Für Sznaider ist die Existenz des Staates Israel aber eine Konsequenz aus dem Holocaust. Dem muss man aber entgegenhalten: Die zionistische Besiedlung Palästinas mit der Absicht, dort einen Staat zu gründen, begann lange vor dem Holocaust am Ende des 19. Jahrhunderts. Und selbst Israelis – wie etwa Moshe Zuckermann – sehen in der kausalen Verbindung des Holocaust und der Entstehung des Staates Israel eine Instrumentalisierung des Massenmords an den europäischen Juden, die einem zweckfreien Gedenken der Opfer dieses Genozids entgegenstehe, ja sie verrate die Opfer, weil dann der Staat Israel Vorrang vor dem Holocaust habe.

Sznaider beharrt mit seiner Absage an jedem Universalismus auf jüdischen „Sonderinteressen“. Er sagt: „Juden wie ich oder die Vertreter des Zentralrats [der Juden in Deutschland] sind für diese Leute [die deutsche Kulturelite] ein Störfaktor in diesem hyperdemokratischen Kampf um globale Gleichheit, weil wir da nicht mitspielen wollen.“ Deutlicher kann man es nicht sagen: Es gibt keine Gleichheit unter den Menschen! Unter dem Banner der Gleichheit wolle man heute, so Sznaider, den Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden auflösen.

Geht es darum wirklich, wenn man Gerechtigkeit für die Palästinenser fordert? Sznaider behauptet, dass die Herstellung von Gleichheit für die Palästinenser die Selbstaufgabe des zionistischen Staates bedeuten würde. Er setzt dem entgegen: Die Juden hätten ein Recht, auf ihrem Partikularismus [laut Duden: Absonderung, Segregation, Isolation] zu bestehen. Es sei ein Beharren darauf, dass auch Juden als Kollektiv existieren dürften, nicht nur als Einzelne. Das ist ein klares Plädoyer für den zionistischen Staat, das Sznaider hier ablegt, das aber gewichtige Fragen aufwirft.

Kann es erstens jüdisch-zionistische Sonderrechte auf staatliche Existenz geben, die auf der brutalen Unterdrückung eines ganzen Volkes beruht? Zweitens: Wenn die Zionisten den Untergang ihres „jüdischen Staates“ befürchten, warum haben sie dann von Anfang an bis heute die Bildung eines palästinensischen Staates bekämpft, der die Existenz eines „jüdischen Staates“ und die friedliche Nachbarschaft mit dem palästinensischen Staat gesichert hätte? Die Verweigerung dieser Lösung, also das Bestreben, ganz Palästina zu besitzen, hat das zionistische Israel in eine existentielle Krise geführt, aus der es offensichtlich keinen Ausweg gibt.

Es stellt sich drittens eine weitere Frage: Wie kann Sznaider von der deutschen kulturellen Elite verlangen, ihm in seiner Absage an den Universalismus zu folgen und sich hinter Israels brutalen Siedlerkolonialismus und sein grausames Okkupationsregime zu stellen? Einmal abgesehen davon, dass er sich bei dieser Forderung instrumentalisierend auf den Holocaust stützt und so mit dem Genozid Unrecht rechtfertigt, war und ist das Einschlagen des universalistisch-humanistischen Weges für die deutsche kulturellen Elite nach der Barbarei des Nationalsozialismus ein großer zivilisatorischer Fortschritt – eine Errungenschaft, die es unbedingt zu verteidigen gilt. Wieso sollte sie diese Position zugunsten der Realität eines Apartheidstaates aufgeben? Die offizielle Erinnerungspolitik der deutschen politischen Elite ist genau diesen Weg gegangen und hat sich damit in eine tiefe Krise manövriert. Ihr droht das völlige Scheitern.

Israels Existenz ist nicht durch die Forderung der deutschen kulturellen Elite nach Gleichheit für alle Menschen bedroht, sondern durch eine falsche Politik des israelischen Establishments, das einem ganzen Volk die einfachsten humanen Rechte verweigert. Wie der zionistische Staat sich aus dieser selbstverschuldeten Krise befreien kann, dazu sagt Sznaider kein Wort.

24.07.2022

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