Der Krieg gegen das palästinensische Volk wird weiter gehen
Wie sich Trumps Nahost-Plan genau in die außenpolitische Konzeption der USA und Israels einfügt
Der israelische Anthropologe und Aktivist Jeff Halper hat im Jahr 2015 das Buch „War against the people“ (Krieg gegen das Volk) herausgebracht, für das wohl nicht zufällig keine deutsche Übersetzung vorliegt, denn es hat eine tabulose Analyse zum Inhalt, wie das israelische Besatzungssystem über die Palästinenser funktioniert. Offenbar scheuen Verlage inzwischen davor zurück, in einer Zeit, in der sogar jüdische Kritiker der israelischen Politik in Deutschland als „Antisemiten“ dämonisiert werden, ein solches Werk zu veröffentlichen.
Halper stellt im Detail die „Befriedungs“-Methoden dar, das heißt die Institutionen, Organisationen, die Waffen und die Kontrolltechniken, mit denen Israel die Herrschaft über die Palästinenser aufrechterhält und bei deren Ausübung die Grenzen zwischen Militär, Geheimdiensten und Polizei aufgehoben sind. Um die Besatzung abzusichern, hat Israel spezielle Waffen- und Überwachungstechniken entwickelt, die es auf den internationalen Märkten inzwischen sehr erfolgreich verkauft.
Halper beschränkt sich in seiner Darstellung aber nicht auf Israel und seine „Befriedungs“-Politik, sondern ordnet sie in das außenpolitische, ökonomische und militärische Konzept der führenden Weltmacht USA ein, deren Hauptziel die vollständige Kontrolle des Globus ist. Danach gibt es, wie amerikanische Politiker immer wieder betonen, keine Region auf der Welt, die nicht amerikanisches Interessengebiet ist. Wobei die Erhaltung und Absicherung des kapitalistischen, neoliberalen Wirtschaftssystems absoluten Vorrang genießt.
Wichtig ist dabei zu beachten, dass die Kriegsführung in den letzten Jahrzehnten durch die Entwicklung neuer Techniken eine revolutionäre Veränderung erfahren hat. Es geht dabei kaum noch um gewaltsame Auseinandersetzungen mit konventionellen Waffen zwischen Staaten, sondern um den mit high-tech-Waffen geführten Krieg, der gerade auch aufrührerische und nicht-staatliche Akteure (wie etwa die Palästinenser, die Hisbollah, die Taliban) „befrieden“ und sie der totalen Kontrolle und Überwachung des Welt-Hegemons unterwerfen soll. Menschenrechte und Völkerrecht spielen dabei keine Rolle, sie werden bestenfalls für propagandistische Zwecke instrumentalisiert, wenn man Rechtfertigungsargumente im Kampf gegen die „Terroristen“ braucht, um sie besser dämonisieren zu können.
In diesem US-Konzept spielen die Verbündeten der USA eine wichtige Rolle, ganz besonders natürlich Israel, das der amerikanischen Weltmacht politisch, militärisch und wirtschaftlich-finanziell engstens verbunden ist. Als kleines Land hat Israel „Nischen“ in diesem Konzept der globalen Kontrolle gefunden, die es äußerst erfolgreich ausfüllt. Ausgangspunkt ist dabei die Besatzung über die Palästinenser. Von ihr ausgehend hat Israel Fertigkeiten, Taktiken und Instrumente der Beherrschung über dieses Volk entwickelt, die diesen Staat zu einem führenden globalen Vertreter der Kriegsführung für „Sicherheit und Kontrolle“ macht.
Das heißt: Israel hat aus der Besatzungssituation nicht den Auftrag und das Ziel abgeleitet, mit den Palästinensern zu einer dauerhaften Friedenslösung zu kommen, sondern macht aus der Okkupation ein gigantisches Geschäft. Es hat die „Nische“ in der Weise genutzt, dass es speziell auf die Aufrechterhaltung der Besatzung ausgerichtet high-tech-Waffen und Systeme zur Überwachung und Kontrolle von Menschen entwickelt hat, die es in viele Staaten exportiert und Israel in die erste Reihe der Waffenproduzenten der Welt gebracht hat. Israel kann bei seinem weltweiten Marketing für seine Systeme stolz betonen, dass sie „in der Praxis“ (das heißt an den Palästinensern) getestet worden seien. Dass solche Waffen und Kontroll- sowie Überwachungssysteme besonders bei Potentaten, die ihre Völker in Schach halten wollen, große Zustimmung finden, also nicht gerade Demokratie-fördernd sind, versteht sich von selbst.
Halper schreibt dazu: „Wie könnte Israel ohne die Besatzung und den permanent andauernden Konflikt seine internationale Position aufrechterhalten? Die Okkupation stellt für Israel eine Ressource im doppelten Sinne dar: Ökonomisch ist die Besatzung der Test-Grund für die Entwicklung von Waffen, Sicherheitssystemen, Modellen der Kontrolle über Menschen sowie von Taktiken, ohne die Israel nicht in der Lage wäre, auf dem internationalen Waffen- und Sicherheitsmarkt konkurrenzfähig zu sein. Aber nicht weniger wichtig ist, dass Israel als führende Militärmacht, die Waffen- und Sicherheitskomponenten in die ganze Welt liefert, aber ohne die Besatzung seinen internationalen Status unter den globalen Führungsmächten verlieren würde. Israel ist ein kleines Land, das sich bemüht, seine Nische im transnationalen militärisch-industriellen Komplex zu erhalten. Wo würde es ohne die Besatzung und den Konflikt mit den Palästinensern, den es selbst erzeugt hat, bleiben?“
Diese Ausführungen machen verständlich, worum es Trump mit seinem „Jahrhundert-Plan“ für den Nahen Osten und Israel geht: um die unbedingte Aufrechterhaltung der Besatzung – verkleidet in eine lächerliche „Zweistaatenlösung“. Der Trump-Plan, der in völligem Einvernehmen mit Israel erarbeitet worden ist, enthält alle Elemente, dass sich an dem gegenwärtigen für Israel so nützlichen Besatzungsstatus nicht das geringste ändert. Denn der „Staat“, dessen Bildung Trump vorschlägt, ist kein „Staat“, sondern ein total isoliertes Reservat oder Bantustan mitten in einem zionistischen Großisrael, da die Palästinenser in keiner Hinsicht über wirkliche Souveränität verfügen würden. Sie hätten keine Kontrolle über ihre eigenen Grenzen und den Luftraum, denn die „Sicherheit“ würde bis zu einem unbestimmten Zeitpunkt, den die Regierung in Jerusalem bestimmt, in den Händen von Israels bewaffneten Kräften liegen. Der neue „Staat“ soll unbewaffnet sein, dürfte also keine Armee, die die eigene Bevölkerung schützt, besitzen. Der Palästinenser Edward Said hatte schon an den Oslo-Verträgen von 1993 sarkastisch kritisiert, dass diese den Palästinensern lediglich erlauben würden, nun ihre eigene Müllabfuhr zu regeln.
Das wiederholt sich jetzt. Israel würde also nach bei Realisierung des „Jahrhundert-Plans“ weiter die vollständige Kontrolle über die palästinensische Bevölkerung ausüben können und alle oben geschilderten Vorteile aus der Besatzung haben. Es würde sich am gegenwärtigen Zustand also nichts ändern. Trumps „Friedensplan“ hat so gesehen mit wirklichem Frieden nichts zu tun, er ist nichts weiter als die Fortsetzung des „Krieges gegen das palästinensische Volk“.
Halper, Jeff: War against People. Israel, the Patestiniens and global Pacification, Pluto Press London 2015, ISBN 978-0-7453-3430-1