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„Die Mauer als physisch gebautes falsches Bewusstsein“

Israel feiert seinen neu gebauten Grenzzaun zum Gazastreifen – in Wirklichkeit ist er ein Monument der Unfähigkeit zum Frieden

Dezember 8, 2021

Israel hat auf dem Grenzstreifen zum Gazastreifen die wohl perfekteste Mauer der Weltgeschichte gebaut: 65 Kilometer lang aus Stahlbeton, tief in den Boden reichend und mit digitalen Warnsystemen ausgestattet. Technisch gesehen ist dieser Trennzaun ein Meisterwerk, politisch-moralisch ein Monument der Niederlage und des völligen Versagens. Auch wenn man mit dem Katholizismus gar nichts zu tun hat, muss man Papst Franziskus Recht geben, als er jetzt beim Besuch des Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Lesbos sagte, dass wir uns in einer Zeit von Mauern und Stacheldraht befänden und dass es sehr traurig sei, wenn man als Lösung für politische Probleme Mauern baue. Genau das tut Israel.

Die Zionisten hatten einst für die Juden, die in Ghettos lebten – teils gezwungen, teils aus selbst gewählter Absonderung – nur Verachtung übrig und sahen es als emanzipatorischen Befreiungsakt an, die materiellen und geistigen Mauern niederzureißen und sich der nicht-jüdischen Außenwelt zu öffnen. Heute bauen die Zionisten selbst Mauern, um die Menschen, die sie unterworfen haben, in Ghettos „einzumauern“. Sie bewegen sich damit ganz im Rahmen und in der Logik des Siedlerkolonialismus, denn dessen Protagonisten haben – ob in Amerika, Afrika oder Australien – die indigenen Unterworfenen immer in Reservaten weggesperrt – angeblich der eigenen Sicherheit wegen, weil man die „Anderen“, die “Wilden“ (in Palästina die „Terroristen“) als Bedrohung empfand und empfindet.

Moshe Zuckermann hat dieses Vorgehen der Zionisten sehr exakt beschrieben: „Eine Ideologie [die zionistische] war es (und ist es letztendlich geblieben), welche das Emanzipative des Einsturzes von Mauern mythisch wie historisch zu feiern wusste, um zugleich selbst Mauern zu errichten, als die eigene Emanzipation zur Unterdrückung anderer geriet und die Unterdrückten sich gegen ihre Repression empörten, womit sich denn Mauern als Stein gewordene Chimären des Schutzes vor selbst verschuldeter Bedrohung und als erbärmliche Illusionen vorgegaukelter Sicherheit im permanenten Ausnahmezustand erwiesen.“ Und: „Mauern sind eben physisch gewordenes falsches Bewusstsein.“

Man muss, wenn man von Israels Mauern spricht, unbedingt auch die Aussagen der israelischen Psychoanalytikerin Ruchama Marton hinzufügen, die in einmaliger Weise die Motive bloßgelegt hat, warum die Israelis solche abgrenzenden und trennenden monumentalen Zäune bauen. Sie sieht in der Mauer nicht nur eine physische Barriere, die der Sicherheit dient, sondern auch eine metaphorische Blende, die die Existenz des palästinensischen Volkes insgesamt ausblenden soll. Von einer psychologischen Warte aus ermöglicht diese Blende es den jüdischen Israelis, das Leid und die Menschlichkeit der Bewohner der anderen Seite zu vergessen. Ruchama Marton schreibt: „Ein brauchbarer Ansatz, einige der psychologischen Mechanismen zu verstehen, die mit der Mauer zu tun haben, ist das Prinzip der Spaltung. (…) Es lässt nur zwei Extreme zu, die Welt ist in ‚gut‘ und ‚böse‘ gespalten, ohne ein Mittleres. Die Spaltung ist der primitivste Abwehrmechanismus, auftretend bei übergroßer Verängstigung und einem Bedürfnis, unerträglich starke positive und negative Emotionen voneinander zu trennen. Ironischerweise erfordert diese begriffliche Verarbeitung laufend psychologische Energie und ist als Langzeitlösung nicht sehr effektiv, denn die Ängste werden eher blockiert als erforscht, verarbeitet und schließlich abgebaut.

Ruchama Marton führt weiter aus: Indem man sowohl die äußeren wie die inneren Aspekte des guten Selbst vom bösen Selbst abspaltet, ist es psychologisch möglich, die ungeliebten Teile des eigenen Selbst auf den „Anderen“, d.h. auf die Palästinenser zu übertragen. Dann kann man die projizierten Teile und Eigenschaften verachten, die ja nun dem „Anderen“ angehören. Nach ihrer Analyse wird die Mauer ausschließlich als Akt des Selbstschutzes wahrgenommen, als Schutz vor der wilden Aggression, die man mit den Palästinensern assoziiert. „Die Mauer erlaubt dem zionistischen israelischen Kollektiv-Selbst, sich nicht als aggressiv, gewalttätig, grausam, Besitz ergreifend, als Verletzer von Menschenrechten zu sehen, indem alle diese Züge auf die Palästinenser jenseits der Mauer projiziert werden.“

Die Mauer soll also die zivilisierte moderne israelische Demokratie von der barbarischen Rückständigkeit und Gewalt der Palästinenser trennen. Ruchama Marton schreibt: „Die Mauer ist undurchsichtig, um den Blick auf das Elend und Leid auf der anderen Seite zu verhindern. Wäre sie durchsichtig, könnten wir tatsächlich das beunruhigende Leid der Menschen auf der anderen Seite sehen. Sie [die Mauer] ist hässlich – denn sie soll die Illusion stützen, auf der anderen Seite lebe ein böses, ein hässliches Monster und keine normalen Menschen. Die palästinensische Existenz jenseits gilt als minderwertig, hässlich, schmutzig, gewalttätig und gefährlich.“ Die Mauer hat letztlich die Aufgabe, Empathie, also die Anerkennung und das Miterleben menschlichen Leids zu verhindern.

Wer Mauern baut, mauert sich letzten Endes auch selbst ein und verbaut damit die Kommunikationswege nach außen, das heißt: auch alle Chancen für ein friedliches Zusammenleben mit den Nachbarn. Mauern wie die jetzt errichtete zum Gazastreifen verlängern lediglich die politische Logik von Chaos und Gewalt, in der Israel sich bewegt. Wenn dieser Staat eine Zukunft haben will, kann diese – im Gegensatz zur partikularistischen Absonderung als mauernbewehrter Kreuzritterstaat – nur von einer universalistischen Moral der Offenheit und Einschließlichkeit bestimmt sein und die braucht keine Mauern, weil sie die Gleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen anerkennt. So gesehen ist die neue Mauer zum Gazastreifen ein Bollwerk der Unmenschlichkeit, ja der barbarischen Menschenverachtung.

8.12.2021

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