Der Satiriker Dieter Nuhr hat sich in seiner Sendung „Nuhr im 1.“ eine infame Entgleisung erlaubt – beklatscht von einem begeisterten Publikum. Er bezeichnete Demonstranten („Aktivisten“) – vornehmlich Studenten, die gegen Israels Vernichtungskrieg in Gaza demonstrieren, als „linke Nazis“, die einen „Hauch von 1938“ über den Campus verbreiteten. Er vergleicht also Proteste gegen Israels genozidalen Feldzug mit der „Reichskristallnacht“, bei der Hitlers bewaffneter Mob am 8. und 9. November 1938 gewaltsam gegen die Juden vorging. Dieses Pogrom wird von Historikern als Auftakt zum Holocaust gedeutet.
Der Satiriker warf den Deutschen vor, ein Problem mit der Erinnerung zu haben: „Das haben wir nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen, als alle sagten: ‚Nazis bäh!‘ Wir sind aber unsere Erinnerung. Das Beste ist, man biegt sich die Erinnerung zurecht. Wenn man die Nazis einfach per Bildbearbeitung entfernt, bleiben Goethe und Adenauer übrig. So macht es die AfD. Oder unsere Aktivisten, die sich mit der Hamas solidarisieren, deren Geschichtsbild hat mit der Realität gar nichts mehr zu tun. Bei denen paart sich der Antikolonialismus der Befreiungsbewegungen mit dem Antisemitismus von Adolf Hitler.“
An dieser Stelle seines Vortrags blendete Nuhr ein Bild von Mahatma Gandhi ein, der in ein weißes Gewand gekleidet und sich auf einen Stock stützend, eine Straße entlangzog – und nicht seinen eigenen Kopf trug, sondern den von Adolf Hitler!
Nuhrs Kommentar dazu: „So sieht er aus – der Linke von heute! Das Geschichtsbild dieser Studenten beruht oft auf KI, nicht auf künstlicher Intelligenz, sondern auf klassischer Ignoranz. Linke Nazis sorgen heute von einem Hauch von 1938 über dem Campus, nur dass man den Juden das Studium gar nicht mehr untersagen muss, die trauen sich gar nicht mehr hin. In der deutschen Geschichte gibt es bedrückende Kontinuitäten.“
Also 2024 gleich 1938! Diese Äußerungen sind eine üble und infame politische Polemik, die Menschen – ob nun Aktivisten oder Studenten, die gegen den Völkermord in Gaza protestieren und sich für Frieden und Menschenrechte einsetzen, mit Hitlers Schergen gleichsetzt. Von dem, was in Gaza geschieht und wie Völkerrechtler, der Internationale Gerichtshof (IGH) und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) darauf reagiert haben, hat Nuhr offenbar noch nie etwas gehört, oder er macht wie die deutsche Politik beide Augen zu, um die böse Realität nicht zu sehen. Für Satire müssen die Grenzen, was man sagen darf, sehr weit gesteckt sein, sonst gibt sie sich selbst auf. Aber vor übler Hetze und Verleumdung sollte sie sich hüten. Man wundert sich, was in der ARD alles möglich ist, aber diese Anstalt hat ja auch eine Sprachregelungsbuch herausgegeben, das den Redaktionen vorschreibt, was man über Israel und seinen Krieg sagen soll oder nicht sagen darf. Vielleicht hat Nuhr seine Weisheiten ja diesem Buch entnommen.