Zum Hauptinhalt springen
Arn Strohmeyer logoArn Strohmeyer logo
  • Home
  • Autor
  • Zeitgeschehen
    • Israel/Palästina
    • Verschiedenes
  • Bücher
    • Griechenland Bücher
    • Politische Bücher
  • Kontakt

Ist das Konzept der Documenta wirklich antisemitisch?

Es gibt gute Gründe, warum die indonesischen Organisatoren das offizielle Israel nicht eingeladen haben

Juni 19, 2022

Es scheint für die größte Kunstausstellung der Welt in Deutschland kein anderes Thema zu geben als Israel und Antisemitismus. Die Macher der Ausstellung – die indonesische ruangrupa-Gruppe – haben das offizielle Israel nicht eingeladen. Ist das aber Antisemitismus? Sie haben ein klares Konzept: Das Thema ist „humbung“. Das ist das indonesische Wort für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird. Es geht also um eine gemeinsame Lebens- und Arbeitsweise, um Werte wie Kollektivität und Solidarität. Humbung soll die Ungerechtigkeit der herrschenden Systeme aufzeigen und gleichzeitig demonstrieren, dass die Dinge auch anders gelöst werden können: eben durch das Teilen, das in Indonesien eine sehr lange Tradition hat.

Auf der Documenta sollen Organisationen und Institutionen aus der ganzen Welt zusammen humbung praktizieren. Die ruangrupa-Gruppe formuliert ihr Ziel so: „Jedes der humbung-member wird einen Beitrag leisten und verschiedene Ressourcen wie Zeit, Raum, Geld, Wissen, Fürsorge und Kunst teilen und erhalten.“ Wenn humbung also kurzgefasst die Idee von kollektiv zu verteilenden Ressourcen ist und die Kunst Anstöße geben soll, wie eine solche Verteilungsstruktur im Laufe der Zeit global aufgebaut werden kann, erhebt sich die Frage, ob offizielle Vertreter des siedlerkolonialistischen Apartheid- und Besatzungsstaates Israel in eine solche Ausstellung und ihr Konzept passen würden. Wo praktiziert dieser Staat in seinem Herrschaftsbereich Solidarität und Kollektivität gegenüber den Palästinensern? Nein, Israel ist ein Musterbeispiel für Ungleichheit und Ungerechtigkeit gegenüber einem ganzen Volk, das es unterdrückt.

Nun gibt es natürlich auch in Israel kritische und kreative Künstler, die gut in das Konzept von humbung gepasst hätten. Aber die Wächter über den Antisemitismus hätten dann sofort einen Affront, ja einen Angriff auf das offizielle Israel gewittert und auch den Antisemitismus-Vorwurf erhoben. Kritischen israelischen Intellektuellen hat man hierzulande ja schon Säle für ihre Vorträge untersagt und sie als „Antisemiten“ oder „selbsthassende Juden“ denunziert. Der Vorwurf von Micha Brumlik eines neuen McCartyismus in Deutschland ist ja mehr als berechtigt.

Wenn deutsche Politiker und Publizisten anlässlich der Documenta lautstark beklagen, dass Israel von der Ausstellung ausgeschlossen und das Antisemitismus sowie die Leugnung von Israels Existenz sei (Bundespräsident Steinmeier), dann ist das nur ein neuer Beleg für die Antisemitismus-Hysterie, die in Deutschland inzwischen herrscht. Demnächst wird es auch antisemitisch sein, wenn in einer Fußball-Bundesliga-Mannschaft oder in einem Theaterensemble nicht ein Jude oder Israeli vertreten ist.

Die indonesische ruangrupa-Gruppe betrachtet die Welt aus der Perspektive eines Schwellenlandes der Dritten Welt und nicht aus der Sicht der deutschen Israel-Ideologie. Sie hat deshalb vermutlich gute Gründe, warum sie offizielle Vertreter des siedlerkolonialistischen Besatzungsstaates Israel nicht eingeladen hat, auch wenn das nicht laut gesagt wird. Die Indonesier haben lange unter dem niederländischen Kolonialismus gelitten, sie wissen also sehr genau, was Kolonialismus bedeutet. Es kann deshalb nicht verwundern, wenn sie ihre Sympathie nicht den Unterdrückern, sondern den unterdrückten Palästinensern zuwenden.

Dazu kommt etwas Anderes, das in der deutschen Diskussion gar nicht vorkommt: das Verhältnis Israels zur Dritten Welt. Der israelische Sozialwissenschaftler Benjamin Beit-Hallahmi hat es vor Jahren untersucht und kam zu folgendem Ergebnis: Die israelische Politik hat sich nie mit Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt identifizieren können, weil die Begriffe „Befreiung“ und „Selbstbestimmung“ sofort die Ansprüche der Palästinenser in die öffentliche Debatte Israels gebracht hätten und das sollte unter allen Umständen vermieden werden.

Beit-Hallahmi schreibt: „Dem Zionismus waren von Anfang an, insbesondere was den Umgang mit der Dritten Welt betraf, einige unübersehbare und unausweichliche ideologische Festlegungen inhärent. Kernpunkt des zionistischen Programms war die Begründung eines souveränen jüdischen Staatswesens in Palästina durch Besiedlung und Ausübung politischer Herrschaft. Der Zionismus trug damit gleichsam per definitionem die Momente der Vergewaltigung einer eingeborenen Bevölkerung und der Konfrontation mit der Ditten Welt in sich.“

Und an anderer Stelle schreibt Beit-Hallahmi: „Der Gedanke der Befreiung und Selbstbestimmung für die Länder der Dritten Welt stellt für den Zionismus eine existentielle Bedrohung dar. Sogar der Begriff der Menschenrechte ist für das politische System Israels von potientieller Brisanz. Jede ernsthafte Auseinandersetzung mit der israelischen Politik in der Dritten Welt muss unvermeidlich zu einer radikalen Kritik am Zionismus und seinen politischen Zielen führen.“

Und weiter: „Der Zionismus kann sich eine moralische Selbstanalyse nicht leisten. Das Unrecht, das den Palästinensern angetan wird, liegt so klar auf der Hand, dass man, um es nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen, das Thema als solches tabuisieren muss. Da aber jede Diskussion darüber, was Israel in der Dritten Welt anstellt, zwangsläufig in der Frage nach den Rechten der Palästinenser münden würde, muss auch die Dritte-Welt-Problematik tabuisiert werden. Man kann nicht über Gleichberechtigung, Freiheit und Selbstbestimmung im Allgemeinen reden, ohne irgendwann auch das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern an der Elle dieser Ideale zu messen.“

Auch wenn diese Sätze schon einige Jahre zurückliegen, an der Grundkonstellation der zionistischen Politik hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Beit-Hallahmis Feststellungen erklären auch, warum Israel in der Dritten Welt nie mit den Befreiungsbewegungen, sondern immer mit den brutalsten und korruptesten Diktatoren zusammengearbeitet hat und das auch heute noch tut. Mit humbung hat der Zionismus nichts im Sinn. Aber ist eine solche Kritik antisemitisch?

19.06.2022

Sie sind hier:

  1. Home
  2. Zeitgeschehen
  3. Israel/Palästina
  4. Noch einmal: Ist die Documenta antisemitisch?
  • Israel/Palästina
    • Deutschland muss seine Israel-Politik angesichts der Ereignisse dort überdenken
    • Ist Omri Boehms neues Buch antisemitisch?
    • Vor 125 Jahren beschlossen die Zionisten in Basel die Gründung eines jüdischen Staates
    • Mahmud Abbas verfehlter Holocaust-Vergleich
    • Eine humane Politik braucht Empathie
    • Das Plädoyer des Israeli Natan Sznaider für die Ungleichheit der Menschen
    • Die Documenta und die problematische deutsche Erinnerungspolitik
    • Die Documenta war eine große Chance, aber sie wurde vertan
    • Noch einmal: Ist die Documenta antisemitisch? (current)
    • Eine philosophische Betrachtung der Lage der Palästinenser
    • Anmerkungen zu einer Antisemitismus-Umfrage
    • Ist der Street-Art-Künstler Banksy ein Antisemit?
    • Antisemitismus bei den Planern der Documenta?
    • Abi Melzers Buch "Ich bin (k)ein Antisemit!"
    • Das palästinensische Geschichtsnarrativ ist "antisemitisch"
    • Annalena Baerbocks "werteorientierte" Außenpolitik schweigt zur Not der Palästinenser
    • Samuel Salzborns krude Thesen zur Aufarbeitung der NS-Zeit
    • Antwort auf einen üblen Artikel von Sascha Lobo
    • Das BVG-Urteil zu BDS: eine Blamage für die Berliner Politik
    • "Antisemitismus"-Vorwürfe gegen die Kasseler Documenta
    • Bernd Greiners hervorragendes Buch über die amerikanische Außenpolitik
    • Israel feiert seine Mauer zum Gazastreifen
    • Rezension des Buches von Sabine Schiffer und Constantin Wagner über Antisemitismus und Islamophobie
    • Nachruf auf Rolf Verleger
    • Die Antideutschen aus amerikanischer Sicht - Rezension des Buches von Eva C . Schweitzer: Links blinken - rechts abbiegen
    • Ein sehr gutes Buch über die Geschichte der Palästinenser
    • Die abstruse Sicht des Springer-Konzern-Chefs Mathias Döpfner auf den Nahen Osten
    • Anmerkungen zu Gil Ofarims "Antisemitismus"-Eklat
    • Der grandiose Nahost-Roman "Apeirogon" von Colum McCann
    • Israel und das Antisemitismus-Problem
    • Israels Produkte zur Überwachung und Kontrolle von Menschen sind eine Gefahr für die Welt
    • Der Nahost-Konflikt, BDS und der Antisemitismus
    • Der Niedergang der palästinensischen Autonomie-Behörde
    • Don Quichotte und der deutsche Kampf gegen den Antisemitismus
    • Die grüne Kanzlerkandidatin und der Nahost-Konflikt
    • Wie Israels Schulbücher Hass auf Palästinenser verbreiten
    • Israel und seine "Selbstverteidigung"
    • 73 Jahre Israel - die friedlose Nation
    • Michael Lüders Buch über das US-Imperium und unser Verhältnis dazu
    • Die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus
    • Die Fußball-Bundesliga und der Antisemitismus
    • Rede zur Lage in Syrien
    • Israel und seine Juden aus dem Jemen
    • Die Lebenserinnerungen von Joseph Melzer
    • Kritische Anmerkungen zum Holocaust-Gedenktag
    • Trumps "Friedenspolitik" hat die Lage im Nahen Osten noch gefährlicher gemacht
    • Streitgespräch zwischen Wolffsohn und Naumann
    • Die "Initiative G.G.5.3. Weltoffenheit" war überfällig
    • Über universale Werte und den israelbezogenen Antisemitismus
    • Die Zionisten und BDS
    • Die deutsch-palästinensische Politikerin Sawsan Chebli
    • Martialisches Holocaustgedenken
    • Weltmacht Israel
    • Israels Hilfsangebot an den Libanon
    • Omri Boehms Buch "Israel - eine Utopie"
    • Der israelische Philosoph Omri Boehm appelliert an die Deutschen
    • Wenn der Mut fehlt, den Zionismus realistisch darzustellen
    • Die religiöse jüdische Opposition gegen den Zionismus
    • Die Demonstrationen und Proteste in den USA und was Israel damit zu tun hat
    • Will der Iran Israel vernichten?
    • Israel und seine enge Freundschaft mit dem Apartheid-Südafrika
    • Satirisch gemeinter Brief an den Antisemitismus-Beauftragten in der Sache Achille Mbembe
    • Achille Mbembe hat wichtige Anstöße für die deutsche Nahost-Debatte gegeben
    • Achille Mbembes brillante Antwort auf den Antisemitismusvorwurf
    • Das Dilemma der deutschen Antisemitismus-Forschung
    • "Aufklärung" über Antisemitismus
    • Die Stimme des anderen Israel: Nirit Sommerfeld
    • Ein Symbol für den Freiheitskampf der Palästinenser
    • Trumps Nahostplan und die Außenpolitik der USA und Israels
    • Kritische Gedanken zum Holocaust-Gedenken
    • Zur Kriegsgefahr im Nahen Osten
    • Ein Beispiel für die Ideologisierung der Geschichte Israels
    • Weihnachten und Palästina
    • Robert Habeck in Israel
    • Abgesang auf die Antideutschen
    • Hisbollah-Verbot in Deutschland
    • Der Westen und seine verhängnisvolle Außenpolitik
    • DER SPIEGEL zum Thema Meinungsfreiheit
    • Hexenjagd auf "Antisemiten"
    • Hungert sie aus!
    • Wahlen in der "einzigen Demokratie" des Nahen Ostens
    • Briefwechsel mit dem Psychoanalytiker Dr. Axel Groß über mein Buch "Der Kampf um die Wahrheit. Israels Konflikt mit den Palästinensern aus psychoanalytischer Sicht"
    • Hermann Dierkes über mein neues Buch: Israels Konflikt mit den Palästinensern aus Sicht der Psychoanalyse
    • Israel und der Antisemitismus
    • Wenn ein Bischof die Wahrheit über Israel sagt
    • Israel zieht Nakba-Dokumente aus dem Verkehrh
    • Das Beispiel Dr. Dr. Ermler
    • Trumps und Kushners "Jahrhundert-Plan"
    • Israels Propaganda
    • Der Zionismus und die Menschenwürde
    • Totale Israelhörigkeit
    • Israel und der Zionismus
    • Israel und die Apartheid
    • Isreals ungewisse Zukunft
    • "Gute" Juden - "böse" Juden
    • Die BDS-Bewegung als "Krawallmacher"
    • Will Israel den Mond annektieren?
    • Israel und seine Mauer
    • Triumph des moralischen Nihilismus
    • "Und Frieden auf Erden" - aber nicht in Palästina / Weihnachten 2018
    • Kirche sagt Vortrag von Andreas Zumach ab
    • Fortbildung für deutsche Lehrer in Yad Vashem
    • Die Kirche, die Nach-Auschwitz-Theologie und Israels Unrechtspolitik
    • Anmerkungen zur deutschen Antisemitismus-Hysterie
    • Finden an der Grenze zum Gazastreifen Hinrichtungen statt?
    • Trumps irrsinnige Nahost-Politik
    • Gibt es eine "Israelisierung der Welt"?
    • Die Palästinenser - das verratene Volk
    • Das fragwürdige Wikipedia-System
    • Eine verzerrte Darstellung der israelischen Geschichte
    • Die Stimme des „anderen Israel“
    • Muslime und Juden in Auschwitz
    • Die Linke und Israel
    • Tom Segevs Ben-Gurion-Biografie (Rezension)
    • Problematische Antisemitismus-Diskussion
    • DIE ZEIT und ihr fragwürdiges Israel-Bild
    • Eine Attacke auf Bettina Marx
    • Unterstützung für den Antisemitismus-Beauftragten!
    • Die israelische Tragödie
    • Karfreitagsmassaker in Gaza
    • Gibt es eine Antisemitismus-Hysterie in Deutschland?
    • 70 Jahre Israel
    • Michael Lüders: Die den Sturm ernten (Rezension)
    • Der Streit um Israels "Existenzrecht"
    • Diskussion um BDS
    • BDS "Endlösung der Judenfrage"?[Standard-Titel]
    • Der Sohn eines israelischen Generals erzählt
    • Vortrag über Antisemitismus
    • Kritik an Broschüre der DIG
    • Deutschland und Israel
    • Shlomo Sand wendet sich vom Zionismus ab
    • Reuven Moskowitz kritisiert Israels Besatzungspolitik
    • Über die Nakba-Ausstellung*
    • Israel - ein Staat im permanenten Kriegszustand
    • Die Aktualität Isaac Deutschers
    • Über Mirna Funks Roman "Winternähe"
    • Orientalische Juden in Israel
    • Ariel Sharons Kampf gegen die Palästinenser
  • Verschiedenes
Suchformular

Erweiterte Suche

Regeln

Impressum

Datenschutz

2018-2021 © Arn Strohmeyer